Der philosophierende Bauer

Wie gut ist doch die Wissenschaft,
die uns, mit unsrer Geisteskraft
gestattet, alles zu erkennen
und "wahr" von "falsch" genau zu trennen!

Das Universum, wie man weiß,
besteht ja nur aus Schwarz und Weiß.
Der Raum ist metrisch funktional,
diskret skaliert, orthogonal
in Felder unterteilt und eben:
achtmal Acht soll’s davon geben.

Auch weiß man heut, dass jedes Feld
nur einen Quantenstein enthält,
der fermionisch angeregt,
den Quantenfeldzustand belegt,
sodass kein zweiter Stein sodann,
in diesem Feld bestehen kann.

Und wenn die Steine sich versetzen
geschieht das immer nach Gesetzen.
Ob Läufer schräg, ob Türme grade,
und auch die König-Turm-Rochade,
sind physikalisch gut erkannt,
genau vermessen und benannt,
sogar das Quantensprunggebaren
des Springers ist bekannt seit Jahren.

Der Bauern stetes Vorwärtsziehen
erzeugt gerichtet Entropien,
wodurch der Zeitpfeil sich erklärt
und dass nichts bleibt und ewig währt.

"Wie gut ist doch die Wissenschaft,
wie groß ist unsrer Geisteskraft
die alle Daseinsfragen meistert
die Welt entgöttert und entgeistert!"
So denkt zufrieden unser schlauer
und philosophisch kluger Bauer.

Nur glaubt er manchmal, dass er spürt,
wie eine Hand ihn sacht berührt,
als gäb’s da jemanden, der denkt
und seine Züge sinnvoll lenkt.
Doch "Sinn", sieht er bald wieder ein,
muss physikalisch "Unsinn" sein.

Man zieht und schlägt und wird geschlagen.
Und weiter gibt es nichts zu sagen.

© Ralf Schauerhammer